Michael Merks im NDR - Thema: Raus aus dem Dauerstress - Wege zu mehr Gelassenheit

Acht von zehn Deutschen empfinden ihr Leben als stressig. Jeder Dritte steht sogar unter Dauerdruck. Die Hauptursachen sind Ärger und Termindruck im Job. Sind wir diesen Stressfaktoren hilflos ausgeliefert? Welche Wege führen aus dem Dauerstress? Hier ein Interview von Silke Lange (NDR) mit Michael Merks.

Silke Lange: "Ich bin total im Stress" - nach neuesten Studien scheint dieser Zustand für die meisten von uns im Job und im Alltag Normalität zu sein? Aber was genau ist "Stress" überhaupt?

Michael Merks: In einem aktuellen Stressgeschehen lassen sich immer drei Aspekte voneinander unterscheiden:

  • die äußeren belastenden Bedingungen und Situationen, die Stressoren genannt werden.
  • Individuelle Motive, Einstellungen und Bewertungen, mit denen wir an die potenziell belastende Situation herangehen und die häufig mitentscheidend sind dafür, ob überhaupt und wie heftig Stressreaktionen auftreten. Jeder weiß, manchmal reicht auch nur ein negativer Gedanke oder dauerhafte, diffuse Sorgen.
  • die körperliche und psychischen Reaktionen unseres Organismus auf die äußere Belastung oder inneren Auslöser oder Verstärker, auch als Stressreaktion bezeichnet.

Diese Reaktion auf Belastungen beschrieb der in Kanada forschende Mediziner Hans Selye 1936 erstmals mit dem Wort "Stress" (Englisch für Druck oder Belastung). Die Belastung kann dabei ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Stress können wir uns vorstellen als die automatisierte Reaktion auf eine als belastend empfundene Situation, wie ein Streit mit dem Partner, Geschrei der Kinder, den cholerischen Ausbruch eines Kollegen oder die verspätete Bahn, oder als belastend wirkende Gedanken, wie "wie es jetzt wohl in der Firma weitergeht", "die Rente reicht doch nie im Alter". Diese Situationen "stressen" den Körper und stellen den Organismus auf die Bewältigung der Herausforderung ein.

Dauerstress ist heute bei vielen Menschen ein Normalzustand. Das französische Institut IFAS (Institut d'Action sur le Stress) untersucht seit 1998 gemeinsam mit französischen Unternehmen die Ursachen von Stress und befragte Tausende von Mitarbeitern. Die Wissenschaftler fanden heraus: In Unternehmen leidet jede dritte Frau und jeder vierte Mann an einem riskant hohen Stressniveau. Die Zahlen dürften heute, 2009, eher höher liegen.

"Stress reduzieren" ist ist der Wunsch Nr. 1 für 2009 bei einer Umfrage einer Ersatzkasse.

 

Silke Lange: Ist Stress immer etwas Negatives?

Michael Merks: Stress ist nicht per se schlecht. Je nachdem, ob die Belastung zu einem Erfolg oder einem Misserfolg führt, empfinden die Menschen Stress als angenehm oder unangenehm. Selye nannte diese beiden Empfindungen "Eustress" und "Disstress". Belastung kann belohnend wirken, wenn zum Beispiel eine Aufgabe erfolgreich erledigt wurde. Und sie kann fördernd wirken - wie z.B. beim Lernen.

 

Silke Lange: Was sind die Ursachen für negativen Stress/negatives Stressempfinden? Ist es zum Beispiel der Druck oder die Überlastung bei der Arbeit oder kann man Gelassenheit lernen?

Michael Merks: Ursachen für negativen Stress/negatives Stressempfinden können inhaltlich völlig unterschiedlich sein. Beispiele für Stressoren:

  • mentale Stressoren: Gedanken, Sorgen, Einstellungen
  • physikalische Stressoren: Lärm, Hitze, Kälte, Nässe
  • körperliche Stressoren: Verletzung, Schmerz, Hunger, Behinderung
  • Leistungsstressoren: Zeitdruck, Überforderung, Unterforderung, Prüfungen
  • soziale Stressoren: Konkurrenz, Isolation, zwischenmenschliche Konflikte, Trennung

Sie sehen, es können sehr unterschiedliche Auslöser für eine Stressreaktion sein. Die stärkste Kraft gegen Stressreaktionen können wir auf mentaler und körperlicher Ebene selbst entwickeln. Wir können lernen, unsere Gedanken gezielt zu steuern. Wir können unsere Einstellungen überdenken und ändern. Wir können gezielt unsere Emotionen steuern. Ein Schlüssel kann auch sein, sein eigenes Selbstwertgefühl zu stärken. Wir können zudem ganz bewusst trainieren, Ruhe und Gelassenheit körperlich zu erleben, im akuten Stressfall zu halten oder schnell wieder herzustellen.

 

Silke Lange: Es gibt ja Menschen, die scheinen nie in Stress zu geraten, auch unter Druck reagieren sie gelassen. Ist das eine vererbte Anlage oder kann man Gelassenheit lernen?

Michael Merks: Bei allen Menschen sind die normalen Mechanismen der Stressreaktion angelegt. Doch wachsen wir mit unterschiedlichen Vorbildern auf, die wir als Kind beobachten. Unsere Werte, Einstellungen und Reaktionen sind deshalb unterschiedlich - auf dieselbe Situation reagieren Menschen deshalb auch sehr unterschiedlich. Zum Trost für alle: wir können, solange wir leben, lernen, wie wir mit den äußerlichen - und auch mit den inneren, mentalen - Herausforderungen umgehen wollen - wir können Gelassenheit lernen, ja geradezu richtig trainieren, wie wir auch andere Dinge gelernt haben und immer noch lernen können. Die meisten Methoden sind sogar leicht erlernbar und direkt umsetzbar.

 

Silke Lange: Wie lerne ich Gelassenheit? Haben Sie dafür Beispiele?

Michael Merks: Strategie 1: Analysieren Sie Ihre Situation

  1. Gehen Sie einen typischen Tag und dann eine typische Woche durch, identifizieren Sie die wichtigsten Stressoren Ihres Lebens und beantworten Sie die folgenden Fragen:
  2. Was verursacht negative Gefühle bei mir - Zornesausbrüche, Ärger, Irritation, Niedergeschlagenheit (die vor allem länger als ein paar Minuten andauern)?
  3. Welche Situationen lösen bei mir regelmäßig körperliche Reaktionen aus - Magenschmerzen, plötzliche Erschöpfung, Nackenverspannung oder Herzrasen?
  4. Wie sind meine mentalen Kompetenzen, z.B. positive Gedanken zu erzeugen, gezielt positive Emotionen wachzurufen, lösungsorientiert zu denken, Probleme effektiv anzupacken und schnell abzuhaken.
  5. Wie positiv und wertschätzend ist meine Sprache?
  6. Wie positiv ist meine Körpersprache?
  7. Was tue ich für meine Gesundheit: Schlafe ich ausreichend, tief und erholsam? Bewege ich mich regelmäßig und ausreichend? Mache ich regelmäßig Entspannungsübungen oder Meditation (sie wirkt nachweislich sofort auf unseren Organismus)? Ernähre ich mich vernünftig?

Strategie 2: Entwickeln Sie Mentalkompetenzen, mit denen Sie schnell Stress reduzieren und dauerhaft bewältigen können

  • Welche Situationen lösen bei mir regelmäßig körperliche Reaktionen aus - Magenschmerzen, plötzliche Erschöpfung, Nackenverspannung oder Herzrasen?
  • Wie sind meine mentalen Kompetenzen, z.B. positive Gedanken zu erzeugen, gezielt positive Emotionen wachzurufen, lösungsorientiert zu denken, Probleme effektiv anzupacken und schnell abzuhaken.
  • Wie positiv und wertschätzend ist meine Sprache?
  • Wie positiv ist meine Körpersprache?

In einer Kurzform können wir uns aus einer Stressfalle befreien, indem wir

  1. eine neue Sichtweise einnehmen und das Problem uminterpretieren. Dies hilft, die eigene emotionale Reaktion in Frage zu stellen, eine andere Einstellung zu entwickeln und locker zu lassen.
  2. uns ablenken und uns auf etwas ganz anderes konzentrieren (z.B. an etwas Schönes denken, ins Kino gehen, Sport machen), wenn das Denken immer wieder um einen Stressauslöser kreist.
  3. uns in akuten und andauernden Stresssituationen gezielt an vergangene Ereignisse und Erfahrungen erinnern, die positiv verlaufen sind.

Strategie 3: Körperkompetenzen stärken

  1. Sich bewegen: Es gibt keine bessere Bremse gegen jede Art von Stress als körperliche Aktivität: 30 Minuten schnelles Gehen, langsames Joggen, Radfahren oder Schwimmen reichen aus, um die homöostatische Balance des Körpers wiederherzustellen und die Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin, etc.) abzubauen. Die Muskeln, das zweitgrößte Organsystem des Körpers haben eine starke ausgleichende, gar heilende Wirkung auf unseren gesamten Organismus.
  2. Eine wirksame Entspannungs- und/oder Meditationsmethode lernen

Strategie 4: Lassen Sie locker

Sie erreichen viele Ziele leichter, wenn Sie lernen, locker zu lassen, Ihren übertriebenen Ehrgeiz zu zügeln, Ihr Anspruch, alles schaffen zu müssen und einmal weitgehend auf "ich bin multitaskingfähig" verzichten - eins nach dem Anderen.

 

Silke Lange: Gibt es Notfall-Hilfen für stressige, belastende Situationen, die sofort wirken?

Michael Merks: Ja, es gibt einige sehr wirksame Notfall-Hilfen - hier die 4-Schritte-Strategie

  1. Annehmen: Die Situation so akzeptieren, wie sie ist. Ärger, Vorwürfe usw. helfen überhaupt nicht. Annehmen bedeutet zweierlei: erstens das möglichst frühzeitige Wahrnehmen von Stresssignalen und zweitens eine klare und bewusste Entscheidung für das Annehmen (und damit gegen das Hadern und Lamentieren mit der realen Situation)
  2. Abkühlen: Manchmal hilft ein bewusstes "Dampf ablassen", also ein ganz bewusstes langes Ausatmen. Die Gedanken und Emotionen in eine positive Richtung steuern. Gezielt Teile aus Entspannungsübungen einsetzen (bekommt niemand mit). Manchmal hilft auch schnell gezielte Bewegung.
  3. Analysieren: Kurz Zeit nehmen, bewusst und schnell die Situation einschätzen.
  4. Ablenkung oder Aktion: Je nach Ausgang der Analyse entweder bewusste angenehme Ablenkung oder bewusste Aktion, die zur Änderung der Stress auslösenden Situation führt.

[^ nach oben]
Diese Seite druckenNewsletter

NEWS

Michael Merks im NDR - Thema: Raus aus dem Dauerstress - Wege zu mehr Gelassenheit

Acht von zehn Deutschen empfinden ihr Leben als stressig. Jeder Dritte steht sogar unter Dauerdruck. Die Hauptursachen sind...

Wie Sie Schritt für Schritt Stress mit Ihren Finanzen begegnen!

Drei Zielstrategien für finanzielle Grundsicherung, Sicherheit und finanzielle Unabhängigkeit

Finanz-Coaching: Wie Ihr Geld für Sie arbeitet!

Ein Artikel von Michael Merks, erschienen in der Zeitschrift Emotion - Women at Work, Ausgabe 01/2009